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Strukturellen Rassismus in der Polizei bekämpfen!

„I can’t breathe“ waren die letzten Worte von George Floyd, welcher 2020 vor laufenden Kameras von der Polizei in den USA regelrecht hingerichtet wurde. Der grausame Mord am Schwarzen US-Amerikaner entfachte eine neue Welle von Protesten der Black-Lives-Matter-Bewegung, welche rassistische Polizeigewalt adressiert und thematisiert [1]. Aber nicht nur in den USA wurde wieder mehr über Rassismus in der Polizei gesprochen, auch in Deutschland war dies der Fall. Vor allem der rassistische Anschlag in Hanau hat gezeigt, dass Opfer von rassistischer Gewalt nicht ausreichend durch die Polizei geschützt sind. Sowohl präventiv als auch nach den Attentaten wird nicht entschieden gehandelt. Die Debatte machte deutlich: Deutschland hat ein polizeiliches Rassismusproblem, und zwar ein gewaltiges, das sich auf unterschiedlichen Ebenen zeigt.

Racial Profiling ist eine Form des institutionellen Rassismus den People of Colour in ihrem alltäglichen Leben durch die Polizei erfahren. Dabei werden Betroffene aufgrund von äußeren Merkmalen rassifiziert oder ihnen eine vermutete Religionszugehörigkeit zugeschrieben und sie aufgrund dessen vermeintlich verdachtsunabhängig kontrolliert. Während es in den USA und Großbritannien eine rechtliche Anerkennung des Problems sowie ein Verbot der Praxis gibt, ist dies in Deutschland nicht der Fall. So gibt es in den diversen Polizeigesetzen keinen Hinweis darauf, geschweige ein Verbot für die Anwendung von Racial Profiling. Im Gegenteil, die aktuelle Gesetzeslage eröffnet sogar Handlungsspielräume für solche Maßnahmen, welche die Bewegungsfreiheit einschränken sollen und Menschen betrifft, denen zugesprochen wird, kein Aufenthaltsrecht zu besitzen und/oder kriminell zu sein. Durch gewollte Falschinterpretation und Missbrauch der Gesetzesgrundlagen, vor allem §§ 22, 23 des Bundespolizeigesetzes, werden diese in Form von rassistisch motivierten Kontrollen angewendet. Insbesondere sind migrantisch gelesene Menschen Opfer von Racial Profiling.

Für Betroffene dieser Kontrollen reichen die Folgen von Verletzungen physischer und psychischer Natur bis hin zur öffentlichen Demütigung. [2]

 

 

Rassistische Denkmuster in der Polizei wurden auch in den Ermittlungen zu rassistischen Morde, wie beim NSU, deutlich. Hier wurden die Hinterbliebenen der Opfer, lange als Angehörige von Täter_innen dargestellt, im Gegensatz dazu, was sie wirklich waren: Betroffene, die einen geliebten Menschen verloren hatten. Die Ermittlungsbehörden gingen davon aus, dass wenn Migrant_innen sterben, es sich um in kriminelle Kreise Verwickelte handeln müsse. Aber auch die in den letzten Jahren beinahe wöchentlich auftretenden Nachrichten über rassistische WhatsApp-Gruppen in der Polizei, in denen sich die Beamten antisemitische und rassistische Bilder zusenden, sowie die aufkommenden Verwicklungen in das sogenannte Hannibal-Netzwerk, den NSU 2.0, machen diese Einstellungsmerkmale deutlich. [3] Rassistische Ideologien führten unter anderem zum Polizeiversagen in Zusammenhang mit dem rassistischen Anschlag in Hanau, welcher neun Menschen das Leben kostete. Die Verhöhnung der Angehörigen und Betroffenen in dieser Nacht, als auch im Nachgang der Tat, sind nur die Spitze des Eisbergs. [4]

Die sich wiederholenden Berichte zum Thema Rechtsradikalismus und Rassismus zeigen, dass eine Debatte auf Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen kritisch geführt werden muss und eine Aufarbeitung rechter und rassistischer Einstellungsmerkmale in der Polizei dringend notwendig ist. Dies wird jedoch gleichzeitig vom ehemaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer verhindert: „Es wird keine Studie geben, die sich mit Unterstellungen und Vorwürfen gegen die Polizei richtet“.[5]

Ein weiterer Grund, aus welchem rassistische Netzwerke in der Polizei fortbestand haben, sie nicht sichtbar werden oder allgemein institutioneller Rassismus reproduziert wird, ist ein bestehender Korpsgeist in der Polizei. Dieser führt dazu, dass Polizist_innen nicht gegeneinander aussagen, wenn sie vor Gericht stehen bzw. sich nicht gegenseitig anzeigen würden, um nicht vor dem Rest der Gruppe als „Nestbeschmutzer“ dastehen zu müssen. Die Solidarität untereinander ist in dieser Institution sehr hoch [6]. Eine Möglichkeit, anonym und ohne Nachteile Rechte in den eigenen Reihen zu outen, gibt es nicht. Rassistische Fälle, die von der Polizei ausgehen, werden von der Polizei untersucht.

Die Zahl rassistischer Gewalttaten in Deutschland steigt seit Jahren stetig. Gleichzeitig sendet die Polizei Signale an von Rassismus betroffene Menschen, dass sie nicht geschützt werden, egal ob in der Aufklärung vom NSU, beim NSU 2.0 und vielen anderen sogenannten „Einzelfällen“ [7]. Parallel dazu werden rassifizierte Menschen zu Täter_innen gemacht, weil sie in ein Täterprofil passen, z.B. „Nafris“ sein sollen [8].

Diesen Zustand wollen wir, als BDAJ Bayern nicht mehr hinnehmen. Auch wir wollen geschützt werden und uns sicher fühlen und verurteilen den Rassismus in der Polizei auf allen Ebenen aufs Schärfste und haben daher folgende Forderungen.

Forderungen:

  • Wir fordern die Durchführung einer unabhängigen und wissenschaftlichen Forschung zu Rassismus und Rechtsextremismus in der Polizei!
  • Die Teilnahme an Anti-Diskriminierungsworkshops/-seminaren (z.B. Exit Racism und andere Anti-Diskriminierungsbücher als Pflichtlektüre) muss verpflichtender Teil in der Ausbildung von Polizist_innen werden!
  • Interkulturelle Kompetenzen und sensibilisierende Maßnahmen, für die Lebensrealitäten aller Menschen und nicht nur für die der Mehrheitsgesellschaft, müssen in den Ausbildungsplan von Polizist_innen aufgenommen werden, um die bestehenden Strukturen nachhaltig zu verändern!
  • Es braucht eine unabhängige Institution zur Kontrolle der Polizei!
  • Racial Profiling muss konkret bekämpft werden, das beinhaltet auch die Abschaffung der Rechtsgrundlage von verdachtsunabhängigen Kontrollen [9, 10, 11]!

 

  • Wir fordern ein konsequentes Vorgehen gegen Rassismus und Rechtsextremismus in den Reihen der Polizei! Hierbei können unabhängige Meldestellen für Whistleblower_innen eine Maßnahme bilden, um eine schnelle und effektive Aufklärung bekannter Fälle zu fördern und zu gewährleisten!

 

  • Bundesweit soll die Kennzeichnungspflicht für Polizist*innen erneut eingeführt werden!

 

Quellen:

[1] https://www.sueddeutsche.de/politik/george-floyd-tod-polizeigewalt-videos-rekonstruktion-1.4928047

[2] https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/308350/racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventionsmoeglichkeiten

[3] https://www.bpb.de/apuz/antirassismus-2020/316766/rassismus-und-polizei-zum-stand-der-forschung

[4] https://19feb-hanau.org/wp-content/uploads/2021/02/Kette-des-Versagens-17-02-2021.pdf 

[5] https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2020/10/keine-studie-rechtsextremismus-polizei.html

[6] https://heimatkunde.boell.de/de/2021/02/09/rassismus-der-polizei-die-dunkelziffer-ist-viel-hoeher

[7] https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/deutschland-sechs-forderungen-antirassismus-in-polizeiarbeit

[8] https://www.sueddeutsche.de/panorama/polizei-nafri-ein-begriff-bringt-die-polizei-in-erklaerungsnot-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-170102-99-725337

[9] https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG-13

[10] https://www.gesetze-im-internet.de/bgsg_1994/__23.html

[11] https://hoernlein-feyler.de/was-darf-die-polizei-bei-einer-personenkontrolle/