Queerfeminismus

Wir leben in einer Gesellschaft, die patriarchal organisiert ist. Was heißt das? Das heißt, dass unsere Gesellschaft maßgeblich von Männern bestimmt, kontrolliert und repräsentiert wird. Frauen werden also strukturell benachteiligt und Männer bevorzugt. Auch wenn das nicht immer auf den ersten Blick sichtbar ist, besteht dieses System der Diskriminierung heute immer noch.

Unser Anliegen ist es nicht nur sexistisches Verhalten einzelner in den Fokus zu rücken, sondern vielmehr die Systematik des Patriarchats zu kritisieren. Dies soll unsere Kritik an- in aller Regel von Männern ausgeübten- Alltagssexismus jedoch nicht schmälern. Systematik meint hier, dass Sexismus, Homo-, Bi-, Trans- oder Interphobie immer Ausdruck eines strukturellen Verhältnisses sind. Das heißt, die Abwertung von Frauen oder Menschen mit anderen Sexualitäten als der Heterosexualität von Institutionen, wie zum Beispiel auch durch den Staat, der Schule, oder in der Jugendarbeit passiert, oder wird reproduziert.

Warum eine Position, die Frauenrechte und die Rechte LGBTQIA* gleichzeitig thematisiert? Alle Ungleichwertigkeitsideologien gegen LGBTQIA*, sowie Sexismus entspringen dem Konstrukt des Patriarchats und dem bis heute anhaltenden männlichen Herrschaftsanspruch. Das bedeutet nicht, dass alle Männer bewusst Frauen unterdrücken wollen. Diese sind in der Minderheit und nennen sich selbst Männerrechtler und sind vorwiegend in der rechten Parteienlandschaft zu finden, wie zum Beispiel der AfD. Trotzdem sind sich viele Menschen ihres eigenen sexistischen Verhaltens nicht bewusst und handeln unbewusst sexistisch. Es geht um Dynamiken des Patriarchats, die wir weiter aufbrechen wollen, als auch um eine entschlossene Position gegen die AfD und andere rückständige Akteur_innen, die vor dem Genderwahnsinn und dem vermeintlich bösen Feminismus warnen.

Früher konnte man die vorher genannten Benachteiligungen sehr leicht erkennen, wie z.B. beim Arbeitsrecht und dem Wahlrecht, welches sich Frauen erkämpfen mussten. Mit der Frauenbewegung im Zuge der 1968er Jahre und der Bewegung der sexuellen Befreiung hat sich sehr viel verändert. Frauen haben viele Jahre demonstriert und für ihre Rechte gekämpft. Es gab Errungenschaften wie die Abschaffung von sexistischen Gesetzen, wie dem der sogenannten „Hausfrauen-Ehe“, sodass Frauen seit 1977 ohne die Erlaubnis von Männern arbeiten dürfen. Bis 1997 waren sexualisierte Übergriffe in der Ehe legal und Politiker wie Horst Seehofer und Friedrich Merz haben gegen die Kriminalisierung von Vergewaltigungen in der Ehe gestimmt. Diese beiden Politiker sind immer noch aktiv und besetzen wichtige Positionen in der CDU/CSU. Diese Errungenschaften waren wichtig, doch Gesetzesänderungen verändern nicht die grundsätzliche Dynamik des Patriarchats.

Zwar dürfen Frauen heute wählen und Auto fahren, jedoch begegnen sie neuen sexistischen Zwängen. Die Frau von heute ist nicht mehr nur Hausfrau, sondern in der Regel berufstätig. Leider führt das nicht unweigerlich dazu, dass sie in der Haushaltsführung Entlastung bekommen, und dadurch zwei Rollen erfüllen müssen, um dem Anspruch nach Perfektion gerecht zu werden. Einerseits sollen sie arbeiten, modern und emanzipiert sein, andererseits zeigt sich in der Realität, dass die Aufgabe des Kinder-Großziehens, also Erziehung und Hausarbeiten, bei ihnen bleibt und Männer sich weniger in der Verantwortung sehen. Dieser Mechanismus wird in der Wissenschaft „die doppelte Vergesellschaftung der Frau“ genannt und verdeutlicht die zweifache Unterdrückung, derer Frauen heutzutage ausgesetzt sind.

Auch Menschen, die nicht heterosexuell sind, mussten lange Jahre für die Anerkennung als Menschen kämpfen. Während des Nationalsozialismus wurden Homosexuelle in Massen in Konzentrationslagern ermordet. Weiter galt Homosexualität bis in die 80er Jahre als Krankheit. Auch heute finden immer noch – wie beispielsweise auf dem Oktoberfest (Stand 2019) – Übergriffe auf Homosexuelle statt.

Als alevitische Frauen/ LGBTQIA* gilt es auch uns unsere eigene Position in diesem System bewusst zu machen. So können wir uns zwar mit weiten Teilen der Frauen- und LGBTQIA*- Bewegung identifizieren wollen aber herausstellen, dass wir eine eigene Form der Diskriminierung erfahren. Wir sind überzeugt, dass wir dies mit dem Analysewerkzeug der Intersektionalität aufzeigen können. So sind wir nicht nur aufgrund der Kategorien Frau-, Schwul-, Lesbisch-, Trans-, Inter-Sein im Fokus von Ausgrenzung, sondern müssen dies immer verbunden mit unserer alevitischen Identität und damit mit dem deutschen Rassismus Zusammendenken. Als Mensch mit Migrationshintergrund homosexuell zu sein, bedeutet oftmals einen komplett anderen Druck und Ausgrenzung zu erfahren als ein Homosexueller ohne Migrationshintergrund. Genauso werden alevitische Frauen durch Männer sicher anders sexualisiert und exotisiert, als es deutsche Frauen täglich erleben. Bei diesem Punkt geht es nicht darum den Frauen und LGBTQIA* ohne Migrationshintergrund ihre Ausgrenzungserfahrungen abzusprechen, sondern schlichtweg klarzumachen, dass unsere Erfahrungen andere sind, welche aber genauso wichtig in einem Diskurs der sexuellen Vielfalt und der Frauenrechte sind.

„Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht!“ Rosa Luxemburg

Wir wollen uns bewegen und reaktionäre Akteur_innen in der Politik, Jugendarbeit, schlichtweg in allen Bereichen, in denen sie uns begegnen kritisieren und ihnen als alevitische Jugendliche aufzeigen, dass sie mit der Zeit und wissenschaftlichen Erkenntnissen mitgehen müssen!

Say NO to Sexism, Trans-, Inter- and Homophobia!

Forderungen

Für den BDAJ ist klar, dass wir eine gesellschaftliche Gleichbehandlung, sowie gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen wollen!

Daher wollen wir eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema Frauenrechte und Rechten von LGBTQIA*, sowie eine Kritik an der stattfindenden Diskriminierung auf unterschiedlichen Ebenen.

Der BDAJ fordert:

  • die ökonomische Gleichstellung aller Geschlechter! Der gender pay gap muss unmöglich gemacht werden
  • die gesellschaftliche Gleichstellung aller Geschlechter! Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, dass Frauen durch die Anpassungsfähigkeit des Patriarchats immer noch wie durch z.B. die doppelte Vergesellschaftung der Frau, eine Form der der Diskriminierung erfahren.
  • eine Ernstzunehmende Verfolgung häuslicher Gewalt, es ist kein Zustand, dass die Zahl sexua-lisierter Ãœbergriffe in Deutschland steigt, die Aufklärungsrate der Polizei aber sinkt!
  • das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper und deshalb die Abschaffung des Paragraf 219a des StGB und damit des faktischen Informationsverbots zu Schwangerschafts-abbrüchen! Jede Frau sollte selbst darüber entscheiden dürfen, ob sie ein Kind austragen möchte oder kann!
  • ein Bewusstsein in der Gesellschaft, dass Konstrukte wie die bürgerliche Kleinfamilie und da-mit einhergehende Wertvorstellungen historisch geprägt sind und nicht deshalb der natürliche Idealzustand sind. Jeder Mensch hat ein Recht auf Familie, egal welche Sexualität ein Mensch hat.
  • eine gesellschaftliche Anerkennung alternativer Lebensentwürfe gleich der Parole „lieb‘ doch wen du willst“
  • eine gesellschaftliche Anerkennung, dass es mehr Kategorien an Geschlechtern gibt als sie uns die Heteronormativität vorschreibt
  • Die Abschaffung des Transsexuellengesetzes und eine Ersetzung dessen durch ein Selbstbestimmungs-Gesetz.

 

Leider sind wir als Alevit_innen trotz unseres humanistischen Weltbilds und unserem klaren Bekenntnis zur Gleichbehandlung der Geschlechter nicht frei von Abwertungsmechanismen und wir müssen uns mit unseren eigenen Strukturen auseinandersetzen und deshalb klar machen:

  • Alle Formen von nicht Heterosexualität müssen etwas werden, dass eine „Normalität“ erfährt. Niemand sollte Angst haben nach einem Outing, in der BDAJ Familie ausgegrenzt zu werden
  • Wir müssen unseren gesamten alevitischen Community erklären, dass LGBTIQIA* „normal“ sind und genauso selbstverständlicher Teil unserer alevitischen Community als auch unserer Gesellschaft sind!
  • Sprache reproduziert Ungleichwertigkeitsideologien! Deshalb bekräftigen wir, dass wir auf Grundlage des Beschlusses der BuKo 2013, geschlechtergerechte Sprache als Solidarität mit trans-, intergeschlechtlichen und queer lebenden Menschen verwenden.
  • Unsere Religion ist in ihren Grundfesten humanistisch und sehr progressiv. Wir sprechen nur von Cans und nicht von Mann und Frau. Trotzdem lassen sich auch in unserer Religion Zere-monien und Rituale finden, die nicht mehr zeitgemäß sind und die weitergedacht werden müssen. Wir wünschen uns deshalb eine Förderung der kritischen Auseinandersetzung mit be-stimmten Riten und eine Ãœberprüfung dieser auf Geschlechterstereotype.